Die Ausgangslage: Das herausfordernde Evangelium: (Lk 6,27-38)
Ganz schön starker Tobak, den Jesus da im Evangelium am Gedenktag der Hl. Elisabeth von uns fordert:
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd. Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, verlang es nicht zurück.
(Lk 6,27-30)
Scheint es schon schwer, sich mit den persönlichen Feinden zumindest halbwegs zu arrangieren, setzt Jesus sogar noch einen drauf: Feinde lieben und den eigenen Hatern – wie man heute sagt – sogar noch was Gutes tun. Starker Tobak.
Und es kommt sogar noch krasser: Verflucher – also die, die mir Böses wünschen, soll ich segnen. Und dann sogar noch für die Schläger beten!? Also ist da nicht eine Grenze erreicht?
Wange hinhalten, den Mantel nicht zurückfordern. Was bleibt mir da noch übrig?
Ist es noch der Anstand, jemanden, der bittet, auch etwas zu geben, wird es mehr als kurios, wenn auf Raub und Diebstahl keine Sanktionen folgen sollen.
Fast ist man selbst so weit, dass man gerne sagen möchte: Sag mal Jesus, jetzt ist aber genug. Der Bogen ist überspannt. Reicht es nicht mal?
Wie immer kontert Jesus gerne
Und genau an der Stelle kontert er zurück:
„Was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen.“ – Die goldene Regel.
Jesus bringt diesen Satz, weil er weiß, dass das Leben und die konkrete Tat so oft nicht mit dem übereinstimmt, was Menschen sich selbst vorgenommen haben. Sie erwarten vom anderen viel mehr, als sie selbst als Einzelne bereit sind zu tun. „Der müsste doch erst mal…!“ „Wenn die doch mal das machen würde, würde ich ja auch mal….aber…!“
Unser Leben: Im Spagat von Anspruch und Umsetzung
Also alles Illusion? Viel zu hohe Ansprüche, die niemals mit dem eigenen Leben übereinstimmen können? Vielleicht.
Aber nur, weil viele das nicht schaffen oder nicht leben können, kann es doch auf der anderen Seite auch nicht sein, dass man dann die Norm aufhebt. Denn: Was weg ist, ist weg. Wenn es eh egal ist, ob ich etwas tue oder lasse, dann mach ich lieber mal nichts. Abwarten, Tee trinken, la dolce vita.
Liebe Schwestern und Brüder, so geht`s nicht. Wir brauchen als Menschen hohe Normen im Leben und auch im Glauben, weil sie unser Zusammensein regeln. Jetzt kann man natürlich die Meinung vertreten, dass das alles nichts nützt, wenn sie keiner lebt. Klar und verständlich. Aber seid mir nicht böse, dann bewegen wir uns auf einer Ebene des Relativismus. Nur weil was anscheinend in der Masse nicht geht, brauchen wir das nicht – so das Argument. Aber sind es nicht immer einzelne Beispiele, die eine Norm erst richtig erfüllen? Wir ehren einzelne Personen in unserer Gemeinde, in unserem Staat und auch in der Kirche für ihre Verdienste. Sie sind exemplarisch und sollen es für alle sein.
Trickreich ist, dass eben jede und jeder schauen muss, wie genau er welche Norm im eigenen Leben erfüllen kann.
Und da wären wir dann auch bei der Heiligen des Tages: Elisabeth von Thüringen. Oft genug wird sie uns als beliebte Landgräfin von Thüringen berichtet, die quasi ein märchenhaftes Leben geführt haben soll.
Aber ihre Realität für das gesamte Leben? Nix da mit pomp and circumstance. Nix da mit Glanz und Glorie.
Sondern, um es ganz deutlich zu machen: Leben in Unverständnis, Spott und Ausgrenzung.
Wie ist es gekommen?
Ja – zunächst ist diese 1207 als Tochter des ungarischen Königs Andreas II. und seiner Frau Gertrud aus der einflussreichen Familie Andechs-Meranien geborene Frau beliebt. Als politische Schachfigur im Rahmen des Machtspiels der europäischen Dynastien. Doch schon mit vier Jahren verändert sich alles: Abgegeben an die Familie ihres späteren Verlobten Hermann von Thüringen. – Keine großen Knuddeleien mit den Eltern.
Und dann noch mehr Schreck: Erst fällt ihre Mutter einem politischen Mord zum Opfer – die Mitgift also dahin – sinkt folgend ihr Einfluss in Thüringen. Ihr Verlobter Hermann stirbt überraschend. Die Stimmen am Hof fordern: Weg mit der unfruchtbaren Kinderbraut – Elisabeth ist da gerade einmal 14.
Doch dann, ein wenig Hoffnung keimt auf. Der zweitgeborene Sohn des Landgrafen, Ludwig, nimmt Elisabeth zur Braut. Eine Liebesheirat in der damaligen Zeit. Ungewöhnlich. 3 Kinder werden geboren. Doch viele teils skrupellose Legenden um ihren Mann und Machtpolitiker machen sich breit, obwohl er doch seine Frau unterstützt hat und sie gemeinsam ein Hospital bauen. Armenfürsorge – in der damaligen Zeit eine der traditionellen Aufgaben einer mittelalterlichen Landesfürstin. Doch Elisabeth geht vielen bald ganz schön auf die Nerven. Ihren wertvollen Schmuck verschenkt sie, prächtige Kleider verschmäht sie. Vielmehr pflegt sie persönlich aussätzige Kinder und wäscht Verstorbene. Doch dann, wieder ein Schicksalsschlag. Ihr Ehemann krepiert in Italien auf dem Weg zum Kreuzzug in Jerusalem. Was für ein Pech!
„Du passt nicht zu uns!“ „Die muss weg!“ – so die Stimmen nun am Hofe.
Und das muss sie auch bald.
Im Winter 1227/28 landet die vorher noch geschätzte Landgräfin mit ihren drei Kindern wahrlich in der Gosse. Der Heiligen Familie gleich klopft sie an den Türen der Herbergen, doch niemand will sie aufnehmen. Bürger, Mönche und Priester weisen sie ab. Die alleinerziehende Frau mit ihren Kindern wird verspottet, verlacht und verhöhnt und findet gerade einmal Unterschlupf in einem Schweinestall. Da hat sie es nun. „Hilf dir selbst, dann ist dir geholfen“ – wäre mal schön gewesen. Aber das ist vorbei.
Ganz unten angelangt, soll Elisabeth bitter formuliert haben: „Den Menschen würde ich gern danken, aber ich weiß nicht wofür.“
Elisabeth wird fortan, was sie eigentlich schon ihr ganzes Leben lang war: eine radikale Christusnachfolgerin.
Intensive Gottsuche, schonungsloses Vorleben radikaler Armut und das Erfüllen strenger christlicher Normen und Gesetze gehören zu ihrem gesamten Leben.
Und das passt in die damalige Zeit. Bettelorden wie die Franziskaner und Dominikaner entstehen und werden auch radikal angefragt.
Sie alle kämpfen für Recht, Gerechtigkeit und tatkräftige Nächstenliebe. Und sie nehmen so einiges an Unverständnis, Schmähungen und Spott hin.
1231 stirbt Elisabeth mit gerade einmal 24 Jahren.
„Was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen.“
Starker Tobak?
Schaffen wir eh nicht!
Vorbild!
Heilige!
Elisabeth!