Familie will gesucht und manchmal gar gefunden werden – zum Fest der Heiligen Familie

Ein schreckhafter Alltagsmoment

„Der kleine Max und die kleine Lina mögen bitte im Kinderparadies von ihren Eltern abgeholt werden“ – ruft jemand durch die Lautsprecheranlage eines Möbelhauses. Zuvor waren die beiden kleinen Racker zwischen all den Angeboten herumgerannt und hatten für sich beschlossen, zwischen Stühlen und Tischen und mitten in einer Landschaft voll von Kissen, dass sie Verstecken spielen wollten. Blöderweise haben sie Mama und Papa davon nicht in Kenntnis gesetzt, sondern sich einfach versteckt. Was war das nicht für ein Schreck, den da Papa Simon durch Haut und Knochen fuhr, als er feststellen musste, dass seine beiden Mäuse von jetzt auf gleich einfach weg waren. „Kann doch nicht sein“, dachte er sich zunächst. Doch als seine gründliche Suche keinen Erfolg hatte, ging er auf seine Frau Stephanie zu und weihte sie ein in das, was er gerade eben schockiert feststellen musste. Beide machten sich große Sorgen und suchten überall. Doch alle Suche hatte keinen positiven Ausgang. Die beiden waren wie spurlos verschwunden. Als dann aber auf einmal die Stimme aus dem Off kam und die Namen der beiden nannte und wo sie zu finden sind, da durchdrang das Herz der beiden stolzen Eltern große Freude und langsam, aber sicher, klopfte das Herz nicht mehr wie bei einem Sprint. Als die Familie wieder vereint war und die Kleinen in den liebenden Armen ihrer Eltern lagen, da war ein Hauch von Ewigkeit spürbar: ein Moment der anhaltenden Liebe, in der die Zeit stillzustehen scheint.

Familiäre Bindungen halten an, auch über Strecken und Zeit hinweg

Das erste, das der Mensch im Leben vorfindet, das letzte, wonach er die Hand ausstreckt, das Kostbarste, was er im Leben besitzt, ist die Familie.

Adolph Kolping

Kolping drückt damit aus, welch besondere Bande die Familie zusammenhält. Eine scheinbar unsichtbare Schnur, die auch über weite Entfernung und vergangene Zeit zusammenhält. Zugleich scheint sie oft genug eine Mischung aus dickem stabilem Stahlseil und zugleich leicht reisbarem, seidenem Faden zu sein. Eine Verbindung, die besonders Mutter und Kind verbindet durch die Nabelschnur, mit der der Säugling mit allem Lebensnotwendigem versorgt wird und welche die besondere Verbindung von Mutter und Kind am plastischsten darstellt und die die beiden auf andere Weise zeitlebens verbindet. Wie wichtig auch nachfolgend das sogenannte Urvertrauen ist, von dem oft die Rede ist, zeigt sich im Leben immer wieder. Menschen, die das bei ihren Eltern aufbauen konnten, gehen mit weniger Angst und Sorge durch das Leben, und sie fühlen sich weniger unsicher, wie verschiedene Studien belegen. Beide Elternteile sind hierfür verantwortlich, damit das gestärkt werden kann und daher sind die ersten Monate nach der Geburt für Vater und Mutter eine besondere Zeit. Eine Zeit, die in dieser Intensivität nachfolgend nicht mehr kommt und die für das gesamte Leben eines Menschen Bedeutung hat. Kinder brauchen Vertrauen. Sie müssen spüren können, dass sie bei ihren Eltern Halt und Geborgenheit erfahren und spüren dürfen. Doch zugleich brauchen sie auch die Chance, sich im Laufe des Lebens immer mehr abnabeln zu dürfen, um eigene Schritte wagen zu können und auf eigenen Beinen stehen zu dürfen.

Auch Jesus huscht einfach davon

Auch Jesus nabelt sich im heutigen Evangelium von seinen Eltern ab. Während sich Maria und Josef zusammen mit ihrem zwölfjährigen Sohn zu einem der drei großen Wallfahrtsfeste des Judentums auf den Weg nach Jerusalem machen, um im Tempel zu opfern und Gott anzubeten – wie es der Tradition entspricht, da ereignet sich auf der Rückreise eine Schreckenssekunde: Jesus fehlt. Inmitten der großen Schar der Pilger ist er von jetzt auf gleich nicht mehr da. Weder die Eltern noch Verwandte und Freunde wissen, wo er steckt. Die Sorgen und Ängste, die Josef und Maria aushalten, können wohl alle verstehen, die Familie haben oder die für andere Verantwortung übernehmen. Die Gedanken von beiden werden darin gekreist haben, zu überlegen, wo Jesus denn nicht vielleicht doch noch sein könnte. Was ihm vielleicht gar zugestoßen ist? Ob wir ihn noch finden – fragen sie sich sicher. Eine große Suche beginnt, doch hat tagelang keinen Erfolg. Erst am dritten Tag, so schreibt es der Evangelist Lukas, da finden sie ihn. Und dann auch noch dort, wo sie ihn am wenigsten vermutet hätten: im Tempel, mitten unter Schriftgelehrten, mit denen er sich unterhält, austauscht und diskutiert.

Familie: Suchen und Finden

Diese Stelle aus dem Lukasevangelium ist eine Geschichte des Verlorengehens und Wiederfindens im Kontext der Familie. Und sie passt gut in unsere Zeit: Denn viele Menschen sind auf der Suche nach echter, wahrer Familie.

Nicht wenige haben in Zeiten der Coronakrise wieder, neu oder erneut den hohen Wert der Familie entdeckt. Vielen ist deutlich klarer oder sie haben neu gelernt, dass man die familiären Bande nicht geringschätzen darf. Und manchem ist gar klar geworden, dass diese Verbindung in den letzten Jahren oder gar Jahrzehnten aus den verschiedensten Gründen gelitten hat.

Und noch eine ganz andere familiäre Konstellation

Der wiedergefundene Jesus im Tempel weist und hierbei noch auf eine andere Beziehung hin: nämlich die zu unserem Vater im Himmel. Und wir dürfen uns daher fragen, wie dieses Band aussieht. Ist es ein stabiler Draht oder ein seidener Faden? Gestärkt oder bedroht?

Nehmen wir an diesem heutigen zweiten Weihnachtstag und dem Fest der Heiligen Familie die Frage mit, wie es um unsere familiären Bande aussieht? Was sind die Momente, die sie stärken. Wo mussten sie leiden? Und fragen wir uns zugleich, wie es um die Verbindung nach oben gestellt ist.

Wir wissen, dass wahre Familien jederzeit dazu fähig sind, zu suchen, aber auch zu finden. Unser himmlischer Vater ist hierbei wohl unser ständiges Vorbild: denn er geht selbst denen nach, die ihn nicht mehr suchen und finden wollen. Jederzeit ist er zur Vergebung bereit, wie uns Jesus später in seinem Gleichnis vom barmherzigen Vater lehrt.

„Das erste, das der Mensch im Leben vorfindet, das letzte, wonach er die Hand ausstreckt, das Kostbarste, was er im Leben besitzt, ist die Familie.“ Sind wir in diesen Tagen dafür besonders dankbar und schätzen wir sie. Amen.