Die Kunst der alltäglichen Neuanfänge

Bewundern Sie auch, wie neues Leben sich seinen Weg bahnt, liebe Schwestern und Brüder? Jedes Jahr neu im Frühling, wenn die abgestorben wirkenden braunen Äste und Zweige junges Grün hervortreiben oder wenn sich die dick eingehüllte Raupe sich als Schmetterling den Weg bahnt – Sind Sie, seid ihr dann nicht auch immer neu fasziniert?

Mir fallen sie immer wieder auf, die Neuanfänge und Neubeginne – die täglichen Start-Ups.

Hinfallen, Aufstehen, Krone richten, weiter gehen: Kinder als Vorbild für integrierte Neuanfänge

Beispielsweise, wenn Kinder ihre ersten Schritte wagen, hinfallen und dann doch immer wieder neu ihre wackeligen Füße und schwankenden Knie aufrichten und es neu versuchen. Oder einige meiner Schülerinnen und Schüler, denen ich sage: Versuchs doch nochmal. Probier es doch nochmal ganz anders! Und die sich dann tatsächlich darauf einlassen.

Nicht auf die lange Bank schieben!

Wieder einmal neu haben auch wir einen Neuanfang geschafft. Das alte Jahr mit Höhen und einigen Tiefen ist vergangen, ein neues Jahr hat sich seinen Weg gebahnt. Und wir haben gar nicht wirklich etwas dazutun können. Im Gegenteil: Mit uns ist etwas passiert. Klick und klack geht die Uhr, jedenfalls die ein oder andere noch mechanische Uhr.

Wieder neu haben wir 365 Tage Zeit für viele Neuanfänge! Und davon werden wir in diesem Jahr mit all den Kraftanstrengungen viele brauchen, um doch einmal mehr aus den anhaltenden Krisen im Leben, in der Gesellschaft und weltweit herauszukommen. Ein ganzes Jahr, um unsere uns gesetzten Pläne, Ziele und Vorsätze umzusetzen.

365 Tage bis wir dann im kommenden Jahr wieder sagen: Nun geht es wieder los. Jetzt will ich aber unbedingt einmal dies oder jenes angehen.

Nein, heute fängt es an. Es nützt nichts, alles auf die lange Bank zu schieben und irgendwann zu beginnen. Denn oftmals tun wir es ja dann doch nicht.

Heute fängt es an, so war es auch bei Maria. Sie hat den Kontakt mit dem Engel Gottes als Anfang ihres festen Vertrauens und ihres Einlassens auf Gott gesehen. Einen großen Neuanfang hat sie gewagt und hat die Verheißung, die an sie erging, nicht ad acta gelegt, sondern bereit und bereitwillig, angegangen. Sie hat sich darauf eingelassen. „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Und sicher hat sie nicht geahnt, was alles auf sie zukommt. Sie teilt diese Haltung mit den vielen Frauen und Paaren, die sich nach der Geburt ihres Kindes auf viele Neugebinne und Startsituationen einlassen. Auch sie wissen nicht, was das Leben ihres Kindes mit sich bringen wird. Und doch lassen sie sich darauf ein und hoffen, dass alles gut geht. „In seiner Hand liegt alles Beseelte, in seiner Macht ruht jeder Mensch“ – so heißt es beim biblischen Hiob. Ich meine, dass wir diese Haltung in unserer Gesellschaft und in unserer Zeit wieder einmal neu lernen müssen und noch mehr in unser Leben integrieren sollten. Zu oft meinen wir, dass wir alles in der Hand hätten und klammern Gott aus. Sogar in der Kirche wird er oft genug in zahlreichen Sitzungen, Gremien, Synoden und anderen Sitzveranstaltungen ausgeklammert und Menschen meinen, Kirche machen zu können. Ein Hohn, wenn wir auf unser Glaubensbekenntnis schauen, in dem doch deutlich wird, dass die Kirche auf dem Fundament der Dreifaltigkeit baut und vom Heiligen Geist begleitet durch die Zeit geht.

Gottes Bund währt ewig

Vor acht Tagen haben wir Weihnachten gefeiert, den Neuanfang Gottes mit den Menschen, wenn er seinen Sohn auf die Welt schickt, der als kleines Kind startet.

Neuanfänge gelingen, wenn sie nicht einsam gegangen werden müssen. Und so ist es auch bei Jesus. Er weiß, dass er nicht alleine unterwegs ist, er ist Teil einer Familie und in Verbindung mit seinem himmlischen Vater, der seine Wege begleitet.

Heute, am Neujahrstag, erinnern wir uns an den jüdischen Brauch, dass die männlichen Nachkommen am 8. Tag nach der Geburt beschnitten werden. Damit werden sie in die jüdische Gemeinschaft aufgenommen. Gläubige Juden sehen in der Beschneidung ein Zeichen, dass Gott seinen Bund einhält, den er mit den Menschen geschlossen hat. In Jesus wird deutlich, dass Gott nicht einfach eine Returntaste drückt und einen kompletten Neustart hinlegt, sondern, dass er auf Kontinuität setzt.

Jesus ist eingebettet in viele verheißungsvolle Verheißungen, die nach unserem Glauben in ihm erfüllt sind. Denn er ist der erhoffte Messias, der Retter und Erlöser.

Jesus: Der große Neuanfang Gottes

Und doch geschieht in Jesus etwas ganz Neues: Erstmalig nimmt der große Gott menschliche Gestalt an, lässt sich auf die Menschen ein und begegnet ihnen mit neuer, einmaliger Hingabe. Wir werden auch dieses Jahr, diesmal vor allem in den Texten des Lukas von Jesu Wirken und seiner Botschaft erfahren.

Maria begleitet die täglichen Neuanfänge ihres Sohnes Jesus und geht sie mit. Sie ist bei ihm und bleibt bei ihm bei seinen täglichen Herausforderungen und Schwierigkeiten des Alltags. Sie geht mit ihm, in Höhen und Tiefen und steht ihm treu zur Seite. Darin kann sie uns eine Patronin der täglichen Neuanfänge und Neubeginne sein und uns ermuntern, dabei zu bleiben, auch dann, wenn wir herausgefordert und angefragt sind.

Die Kunst des Neuanfangs lernen und leben

Es ist wohl eine Kunst, die täglichen Neuanfänge zu erkennen, sie anzugehen und zu ergreifen. Es stellt eine Kunst dar, trotz wankelmutiger und schwankender Aussichten alle Kraft in einen Neuanfang zu setzen.

An dir liegt es, ob du den Neuanfängen, die dir begegnen wollen, vertrauen kannst und ob du sie angehst.

Es hängt von dir ab, ob du das neue Jahr meistern kannst und es wird dir wohl gelingen, wenn du dich einlassen kannst. Auf das, was du dir zutraust und wo du dich auch noch besser kennenlernen kannst.

„Es hängt von dir ab, ob du das neue Jahr als Bremse oder Motor nutzen willst“, formulierte es Henry Ford.

„Auf das, was da noch kommt“, singen Lotte und Max Giesinger. Auch in diesem Jahr kommt einiges auf uns zu.

Dazu brauchen wir den Segen Gottes, der uns für alle unsere Neuanfänge und angegangenen Wege zuspricht:

Neujahrssegen

Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.

Num 6,24-26