Predigtreihe zur Woche der Einheit der Christen – 1. Orthodoxie

„Blick auf den Stern im Osten: Die Orthodoxie“

In diesen Tagen begeht die ACK – der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen – die Woche zur Einheit der Christen. Daher habe ich diese Woche als Anlass genommen, einmal näher auf unsere Brüder und Schwestern im Glauben zu blicken. Daher schauen wir in dieser Woche näher auf die einzelnen Konfessionen.

Leitspruch der Woche: Dem Stern folgen und anbeten.

Diese Woche mit Gebet um die Einheit der Christen steht unter dem Leitsatz:

Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten.

(Mk 2,2)

Ausgesagt ist darin, dass die Weisen aus dem Morgenland kommen, um dem Neugeborenen zu huldigen. Ich meine, dass uns dies bei all den Unterschiedlichkeiten der christlichen Konfessionen verbindet. Wir alle versuchen mit unseren Möglichkeiten dem Stern der Hoffnung nachzufolgen. Er führt uns an die Krippe: zu Jesus, dem Christus, dem Hoffnungsträger und Grund unseres Glaubens. Von ihm erfahren alle Christen Bekräftigung, Stärke, Glaubenskraft und immer neu den Auftrag, sich um ihn herum zu versammeln. Ja, ihn ins Zentrum zu stellen und zu wissen, dass er die Mitte allen christlichen Tuns ist. Denn von ihm geht alles aus. Er versammelt und nicht wir. Die Mitte unserer Gespräche, unseres Miteinanders und unseres Lebens ist er. Er ist das Zentrum, zu dem hin wir unterwegs sind.

Der Blick auf die Orthodoxie

Als Erstes wollen wir dem Stern folgen und einen Blick auf den Stern im Osten werfen. Wir blicken auf die Orthodoxie, die nicht nur, aber besonders im Osten des Globus zu finden ist.

Grundsätzlich kann man festhalten, dass uns Katholiken mit unseren orthodoxen Glaubensgeschwistern bis heute am meisten verbindet. Haben wir mit den meisten christlichen Konfessionen als grundlegendes und verbindendes Element das Sakrament der Taufe, so verbindet uns mit der Orthodoxie eine Vielzahl an verbindenden Elementen im Bereich der Glaubenslehre.

Auch die ersten sieben großen ökumenischen Konzilien haben wir mit der Orthodoxie gemeinsam. Eine Ausnahme bilden die orientalisch-orthodoxen Kirchen, die nur die ersten Konzilien bis Ephesus bzw. Chalzedon anerkennen. In ihnen geht es um die großen Fragestellungen des Glaubens. So wurde etwa beim großen Konzil von Nizäa im Jahr 325 die Lehre der Arianer verurteilt. Gleichzeitig wurde nochmals bestätigt, dass Jesus als göttlicher Sohn wesensgleich mit dem Vater ist. Man kann also Vater und Sohn nicht getrennt voneinander betrachten, wie es die Arianer vorhatten.

Vater, Sohn und GEIST??

Beim nächsten großen Konzil, dem Konzil von Konstantinopel 381 wurden diejenigen verurteilt, die den Heiligen Geist geleugnet hatten. Zugleich ist festgelegt worden, dass die drei göttlichen Personen von Vater, Sohn und Geist, in Verbindung zueinander stehen. Bei den für die Altorientalen strittigen Konzilien 431 in Ephesus bzw. 451 in Chalzedon ging es allen voran um die Christologie, also wie es um den Mensch und Gott Jesus Christus genau bestellt ist. So wurde bestätigt, dass Jesus wirklich und wahrhaft ein Mensch war. Eine konkrete Person, die „vor aller Zeit“ von der Gottesgebärerin Maria geboren wurde. Er, Jesus, hat Fleisch angenommen, wie wir im großen Glaubensbekenntnis sprechen. Auch ist er „wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch“. Er hat zwei Naturen, die „unvermischt und unveränderlich, ungetrennt und unteilbar“ sind, wie als Ergebnis von Chalzedon festgehalten wird.

Noch drei weitere Konzilien, zwei davon in Konstantinopel und ein weiteres in Nizäa werden von Katholiken und der großen Orthodoxie gemeinsam anerkannt und die Inhalte geglaubt. In ihnen ging es weiter um die Natur und das Wesen von Jesus und die Frage nach der rechten Verehrung. Konkret ging es um die Frage, ob und wie man sich Bilder von Gott, dem Vater und seinem göttlichen Sohn, Jesus, machen darf. Hierbei kam es im Jahr 1054 zum berühmten und bekannten Bilderstreit. Nach heute gängiger Meinung war dies jedoch nur der berühmte Tropfen im bereits vollen Fass war, der zur Abspaltung geführt hatte. Denn vielmehr entscheidend waren – wie auch heute noch in vielen Teilen – die politischen Grundlagen.

Wie immer hat die Macht das Sagen und zahlreiche Folgen

Immer wieder waren Rom und Konstantinopel im Streit miteinander, was sich auch auf den Glauben ausgewirkt hatte,. Denn der Glaube war für Krone und Reich stets das bindende und stärkende Band gewesen. Nachdem immer klarer wurde, dass das West- Ostreich unterschiedliche Interessen verfolgt haben, war mit der Zeit auch verständlich geworden, dass dies auch eine Zersplitterung im Glauben bedeuten würde. Tropfen, die das bereits volle Fass zum Überlaufgen gebracht haben, waren:

  • der Bilderstreit
  • und das berühmt gewordene „filioque“, also dass der Heilige Geist sowohl vom Vater als auch vom Geist ausgeht

So kam es im Jahr 1054 zur als Morgenländischen Schisma bekannten Trennung von westlicher, römisch-katholischer Kirche auf der einen Seite im Westen und der Orthodoxie im Osten auf der anderen Seite. Anlass war auch das Streben des Kaisers nach einem Beistandspakt mit dem Papst. Damit wolle er sich vor einer Gefahr von außen schützen, was aber mit Blick auf den Glauben eskaliert und gescheitert ist. Denn es hatte als Folge, dass sich die westlichen und östlichen Oberhäupter der beiden Reiche gegenseitig exkommuniziert haben. Das heißt, dass sie sich gegenseitig die Zusammenarbeit, Rechtgläubigkeit und alles Verbindende aufgekündigt haben.

Der Versuch einer Annäherung, aber auch Probleme

Erst im Jahr 2007 versuchte Papst Benedikt XVI. mit seinem Verzicht auf den Titel „Patriarch des Abendlandes“ in diesem Bereich eine Annäherung zu schaffen. Es brachte ihm in vielen Teilen der Orthodoxie auch Respekt und Wertschätzung.

Sicherlich problematisch war im Laufe der langen Geschichte des Morgen- und Abendlandes die Zeit der Kreuzfahrer, in denen sich die beiden Konfessionen immer wieder unversöhnbar, bedroht und mit zahlreichen blutigen Verlusten gegenüberstanden. Dies dauerte an, bis schließlich auch im Jahr 1453 das byzantinische Reich untergegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt lag das westliche Rom schon lange in den Trümmern. Doch der Untergang von Byzanz brachte auch zahlreiche Schattenseiten für die Orthodoxie selbst, die bis zu diesem Zeitpunkt größtenteils geeint war. Doch fortan – und die Folgen spürt man bis heute in der Rivalität zwischen dem Patriarchat von Konstantinopel und dem Patriarchat von Moskau – begannen immer größere Zersplitterungen.

Bis heute strittige Themen, aber auch ein guter Ausblick

Sind bis heute viele Fragen zwischen Orthodoxie und Katholizismus angegangen und teils auch geklärt worden. Strittig bleiben bis heute aber die Themen Papsttum, filioque, ungesäuertes Brot und Fegefeuer.

Im Bereich der Sakramente hingegen sind wir uns sehr nahe. So gibt es auch in der Orthodoxie sieben Sakramente, die mit den sieben Sakramenten, die wir kennen, identisch oder vergleichbar sind. Unterschiede gibt es nur in der Reihenfolge, in der Sakramente gespendet werden. So empfangen Täuflinge in der Orthodoxie bei der Taufe bereits drei Sakramente, nämlich die Taufe, die Salbung, die wir mit der Firmung vergleichen können und die Eucharistie.

In der Orthodoxie fallen die Kirchen oftmals mit den Ländern zusammen, weshalb man sagen könnte, dass es verschiedene „Landeskirchen“ gibt, die autonom handeln und doch Teil der einen Orthodoxie sind.

Eine Sonderrolle: Die katholischen Ostkirchen

Einen besonderen Status haben noch die katholischen Ostkirchen, die von manchen als Verbindungsglied zwischen Katholizismus und Orthodoxie und von manchen als Stein des Anstoßes oder als Stolpersteine zwischen den beiden Konfessionen gesehen werden. Denn sie sind Kirchen eigenen Rechts, die besonders im ehemaligen Gebiet Konstantinopels und damit auf dem Gebiet der heutigen Orthodoxie zu finden sind. Sie stehen in Einheit mit der katholischen Kirche, doch haben sie ihren eigenen, zumeist byzantinischen Ritus. Auch gibt es Unterschiede im Bereich der Zulassung von verheirateten Männern zum Priesteramt und als Frage, inwieweit sie ihre Eigenständigkeit entwickeln und beibehalten können.

Von der Orthodoxie können alle Christen immer wieder lernen, wie sehr es wichtig ist, dass sich alles um Christus dreht. Denn in der orthodoxen Liturgie steht stets die Verherrlichung Gottes in Jesus Christus im Zentrum. Auch gibt es eine große Wertschätzung der Sakramente, die in der Kirche unseres Landes zusehends abzunehmen scheint.

Was die Orthodoxie jedoch immer wieder an ihren katholischen Glaubensgeschwistern beneidet, ist ein eindeutiges Lehramt in Form von Papst und Bischofskollegium, sodass endgültige und für alle gültige Entscheidungen getroffen werden können.

Entscheidend ist das Miteinander!

Beten wir, dass uns der Heilige Geist leitet. Auf dass wir zu den uns so nahen Glaubensgeschwistern der Orthodoxie immer wieder und immer neu Brücken bauen. Diese Haltung braucht es im Dialog, aber auch im konkreten Leben. Nämlich in den Familien und in unserer Stadt im Miteinander und Dialog mit unseren Geschwistern der griechisch-orthodoxen und der russisch-orthodoxen Kirchen. Möge dadurch die Wertschätzung zueinander immer mehr wachsen. Folgen wir gemeinsam dem Stern, der uns an die Krippe führt: zu Jesus – unser aller Zentrum. Amen.