Der Lehrstuhl des Papstes – ein stellvertretender Thron im Bereich Glaubenswissen und Glaubensweitergabe

Predigt an Kathedra Petri, Dienstag, 22. Februar 2022 in Heilig Geist, Schweinfurt

Eine Reise zu den Quellen des Glaubens

Du bist Petrus – der Fels -, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.

(Mt 16,18ab)

Dieser Satz aus dem heutigen Festevangelium an Kathedra Petri ist die Antwort Christi auf den Messiasausruf des Jüngers Simon.

Eine allgemeine Meinungsumfrage

Zuvor hat sich Jesus mit seinen Jüngern im antiken Cäsarea Philippi im Norden Israels versammelt, um gleichsam einer Meinungsumfrage herauszufinden, was die Menschen von ihm halten. Doch das fällt den Leuten schwer. Sie führen verschiedene Prophetengestalten auf, die sie als die Quellen ihres Glaubens sehen.

„Jetzt mal ehrlich: Was hältst du von mir wirklich?“

Doch Jesus will, dass die Jünger noch mehr nachzuspüren, was denn sie selbst zutiefst innerlich von ihm halten. Er will eine Antwort, die von Herzen kommt und zu Herzen geht, denn er weiß, was ihm schon bald sprichwörtlich blühen wird. Und das können wir sogar wörtlich nehmen, da nach dem blühenden Messiasbekenntnis die erste Leidensankündigung Jesu in der Version des Evangelisten Matthäus folgt. Jesus macht sich also mit seinen Jüngern zu einer Wanderung auf, bei der sie aber nicht singen „Das Wandern ist des Müllers Lust“, sondern sie machen Wanderexerzitien „ad fontes“, wie die Lateiner sagen. Eine geistliche Auszeit oder Alltagsexerzitien, bei denen sie zu der wahren Quelle des Glaubens gelangen sollen. Dort, im wasserreichen Gebiet des heutigen israelischen Naturschutzgebietes Tel Dan entspringt der Fluss Banyas – einer der Quellflüsse des Jordan. Indem Jesus also seine Jünger zur sprudelnden Quelle an der Felswand führt, will er sie persönlich einladen, sich zu einer Reise zu ihrer eigentlichen Quelle im Glauben aufzumachen. Er lässt sie prüfen, wer die Quelle ihres Glaubens ist. Und er lädt immer neu jede und jeden Einzelnen ein, sich auf eine Quellenerkundung zu begeben.

Eine Antwort, die selbst Jesus überrascht

Von Simon erhält Jesus schließlich eine Antwort, von der Jesus überzeugt ist, dass er sie nicht aus sich selbst heraus hat. Für ihn ist vielmehr klar, dass sie ihm wirklich vom himmlischen Vater geschenkt wurde. Simon bekennt:

Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.

(Mt 16,16)

Simon drückt damit die sehnsüchtige Hoffnung des Volkes Israel aus. Der Retter und Erlöser des Volkes ist gekommen, welcher die Welt aus der Macht des Todes erlösen wird und der das ewige Reich des Friedens und des Glaubens herstellen wird. Und dieser „Messias“ hat eine konkrete Gestalt. Er ist eine konkrete Person und ein fleischlicher Mensch: Jesus. Er, der Sohn Gottes, wie Simon bekennt.

Der Auftrag, der an Simon ergeht

Für Simon hat seine Antwort nachträglich gesehen Folgen. Denn Jesus baut auf das aus seinem Herzen stammende Bekenntnis. Er macht es fest, indem er ihn als den Felsen bezeichnet. Einen, auf den er selbst bauen will, nämlich seine Kirche. So wird Simon Petrus zum wahren Fundament unserer einen, heiligen und katholischen Kirche.

Die Nachfolge im Sinn des Petrus aus Sicht der dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“

In seiner Tradition stehen die Päpste als Nachfolger in apostolischer Sukzession. Dazu sagt die dogmatische Konstitution Lumen Gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils eindrücklich in Nr. 18:

Diese Heilige Synode setzt den Weg des ersten Vatikanischen Konzils fort und lehrt und erklärt feierlich mit ihm, daß der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kirche gebaut hat, indem er die Apostel sandte wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Joh 20,21). Er wollte, daß deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten. Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt. Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor. Das damals Begonnene fortführend, hat sie sich entschlossen, nun die Lehre von den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, die mit dem Nachfolger Petri, dem Stellvertreter Christi und sichtbaren Haupt der ganzen Kirche, zusammen das Haus des lebendigen Gottes leiten, vor allen zu bekennen und zu erklären.

LG 18

Die Geschichte des Thrones in den Anfängen der Christenheit

Die Heilige Synode hat also festgehalten und erklärt, dass der Papst immer als Nachfolger des Petrus der Fels des Glaubens ist. Jener Fels, auf den Jesus selbst seine Kirche gebaut hat. Der jeweils amtierende Papst übt seinen Petrusdienst dabei immer in Stellvertretung für das eigentliche Haupt, nämlich Christus, aus. Darauf will auch das heutige Fest eingehen, wenn wir Kathedra Petri feiern. Wir feiern dabei nicht einen Stuhl – auch wenn die Festtradition aus einer Zeit stammt, in der für die Verstorbenen stellvertretend ein Stuhl aufgestellt wurde, um mit ihnen zu speisen und sich an sie zu erinnern. Die Christen des Anfangs haben diese ehemals heidnische Tradition verändert, in dem sie sich in der Petrusgrotte oberhalb der Stadt versammelt haben, wo sie in der wohl ersten Kirche des Christentums in Erinnerung an Petrus sich zum Gottesdienst versammelt haben. Neben dem steinernen Altar stand dort stellvertretend für Petrus ein Thron.

Der Thron im Petersdom

Blicken wir in den Petersdom, so finden wir nach dem überwältigenden Gang durch das Mittelschiff nach dem Papstaltar mit dem Baldachin von Bernini den Kathedra-Altar in der Apsis. Der dort befindliche, riesige Thron aus Bronze mit einem hölzernen Stuhl aus dem 9. Jahrhundert, der lange für den Thron des Apostels Petrus gehalten wurde, scheint förmlich in der Luft zu schweben. Doch getragen wird er von vier Säulen. Nämlich den vier Statuen großer Kirchenväter des Ostens und des Westens – Johannes Chrysostomus und Athanasius für den Osten und Ambrosius und Augustinus für den Westen. Über dem Thron befinden sich zwei Engel, die die Krönung vollziehen. Noch ein Stück höher blickt das menschliche Auge auf das Heilig-Geist-Fenster, in dem die Taube als Symbol des Heiligen Geistes sichtbar wird. So wird sichtbar, dass die Herrlichkeit Gottes über allem steht und das petrinische Lehramt sich darin einordnet. Der Heilige Geist, der in den lichtreichen Farben zu sehen ist, ist in diesem Gefüge gleichsam die Quelle, aus welcher der Nachfolger des Heiligen Petrus schöpfen soll und darf. Papst Benedikt XVI. schrieb in einer Ansprache zu den neu ernannten Kardinälen im Jahr 2012 eindrücklich:

Das Apsis-Fenster öffnet die Kirche nach außen, zur gesamten Schöpfung hin, während das Bild der Taube des Heiligen Geistes Gott als Quelle des Lichtes zeigt. Doch da ist auch noch ein anderer Aspekt hervorzuheben: Die Kirche selbst ist nämlich wie ein Fenster, der Ort, an dem Gott sich naht, unserer Welt entgegenkommt. Die Kirche existiert nicht für sich selbst, sie ist nicht das endgültige Ziel, sondern muß über sich hinausweisen, nach oben, über uns hinaus.

Predigt von Papst Benedikt XVI. am 19.02.2012 anlässlich des ordentlichen öffentlichen Konsistorium zur Kreierung neuer Kardinäle in der Vatikanischen Basilik

Unsere eigene Quelle und das Gebet für den Papst in seiner Stellvertretertätigkeit

Uns heute beschäftigt nach wie vor das Zeugnis des Petrus. Wie eine sprudelnde Quelle spricht er als Einziger der Jünger aus, was er zuinnerst empfindet. Und Jesus baut auf ihn als Fundament der Kirche, in dessen Tradition die Päpste bis heute stehen. Mag auch in unserer Zeit immer wieder am Fundament unseres Glaubens und unserer Kirche gerüttelt werden, so vergessen wir doch niemals, dass diese Kirche niemals einem Menschen – sei es auch ein Papst – „gehört“, sondern dass sie lediglich stellvertretend anvertraut ist.

Fragen wir uns an diesem Fest, wer für uns die Quelle des Glaubens ist, wie sie uns erfrischt und belebt.

Und stärken wir unser Fundament in der Einheit mit unserem Papst, der seinen Petrusdienst stellvertretend für Christus und in Fürsorge für alle ihm Anvertrauten ausübt. Immer wieder bittet er uns um unsere Quellen: Unser stärkendes Gebet. Tun wir das heute besonders, wenn wir beten.

Vaterunser und Gegrüßet seist du Maria