Apostelgeschichte – die Herausforderung der jungen Gemeinde
Erinnern wir uns an die eben erst gehörte Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 8,1b-8), so kommt die Zeit der Verfolgung der jungen Kirche des Anfangs hoch. Eine schwere Verfolgung trifft die Gemeinde in Jerusalem und fordert Standhaftigkeit. Ein erstes Opfer ist bereits zu beklagen Stephanus, der die volle Wucht an Wut der Gegner in der Steinigung abbekommen hat. Die Apostelgeschichte berichtet davon, dass die Apostel mitsamt der ganzen Gemeinde diese Krisenzeit annimmt und daraus etwas macht – ja, dass sie sogar in dieser Zeit über sich selbst hinauswächst.
Ob sich wirklich alle freuen?
Ob jedoch alle voller solch großer Freude waren, wie es beschrieben wird, darf zumindest fraglich bleiben. Denn Menschen gehen mit Krisen sehr unterschiedlich um und nicht ein jeder hat die Kraft, in Krisen nach vorne zu blicken. Manche werden von den Krisen erdrückt und ein Ausweg scheint für sie nicht in Sicht. Das wird uns auch heute auch anhand des Themas „Suizidales Verhalten bei Jugendlichen – Hilfe ist möglich“ im Rahmen der Woche für das Leben deutlich.
Suzidales Verhalten in Bildungseinrichtungen
Mir ist es gestern auch wieder aufgegangen, als ich an der Online-Ausbildungsveranstaltung der Notfallseelsorge unseres Bistums teilgenommen habe. Wir haben über Krisensituationen in Bildungseinrichtungen wie Schule und Kindergarten gesprochen und es ist klar geworden, dass das Thema Suizid im näheren Umfeld, ob von einem Schüler oder einer Schülerin, einer Erzieherin, einer Lehrkraft oder auch von Angehörigen in der Familie ein Thema ist, das besondere Beachtung braucht da von Fällen immer wieder berichtet wird. Umso wichtiger ist eine gute Prävention, ein Krisenstab und gut ausgebildete Begleitpersonen.
Was laut Professorinnen bei suzidalem Verhalten hilfreich ist
Professorin Dr. Katja Becker und Dr. Daria Kasperzack haben in einem Artikel zur Woche für das Leben geschrieben, dass es beachtlich ist, dass Suizid von Jugendlichen in unserem Lande im Jahr 2020 die zweithäufigste Todesursache nach dem Bereich Unfälle war. In diesem Jahr nahmen sich 155 Jugendliche in der Altersspanne von 15-20 Jahren und 25 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 15 Jahren das Leben. Zahlen aus der Corona-Hochphase, die uns aufschrecken lassen. Und das sollen sie auch. Denn das Erste, das uns die beiden Fachpersonen mitgeben, ist: Aufmerksam dafür zu sein, wenn Kinder und Jugendliche in Gesprächen mitgeben, dass sie nicht mehr leben möchten. Hier gilt es das Gespräch zu suchen und vor allem Fachpersonal einzuschalten und zu informieren. Dabei ist der erste und wichtigste Schlüssel für das Gespräch das Zuhören. Nicht viel sprechen, sondern aktiv zuhören. Das meint nachzufragen, um Verständnis zu signalisieren und mehr die Umstände zu verstehen. Keinesfalls haben Vorwürfe in solchen Gesprächen ihren Platz und Jugendliche dürfen in einer solchen Phase nicht allein gelassen werden.
Prävention in allen Bereichen nötig
Daher sind Schulungen und Präventionsmaßnahmen in Einrichtungen, aber eben auch darüber hinaus für Familien und auch für unsere Gemeinden wichtig. Denn auch wir haben einen besonderen Auftrag, so geben uns die Professorinnen mit. Denn sie sind der Ansicht, dass gerade funktionierende Gemeinden voneinander erfahren. Ob in einem Gespräch zwischen Tür und Angel, ob in der Sakristei, ob bei Veranstaltungen in der Pfarrei und weil wir an sich ein Ort des Vertrauens sind oder ja immer mehr sein sollten.
Alarmsignale wahrnehmen
Ein besonderer Blick gilt daher gerade allen, die psychische Erkrankungen wie Depression, Störungen innerhalb der Familie oder chronische Streitigkeiten in der Familie oder im Freundeskreis erfahren, sowie Menschen mit traumatischen Erlebnissen, zu denen auch suizidales Verhalten in der Familie oder im Freundeskreis, sowie Misshandlung und Missbrauch, zählen. Hier müssen uns die Alarmsignale auffallen und Hilfe eingeschalten werden. Ein erster Ansprechpartner kann hier die Telefonseelsorge sein. Und gerade an besonderen Tagen – etwa dem Todestag eines Familienangehörigen oder Freundes – dürfen die Alarmglocken im Hintergrund besonders angeschaltet sein, wenn in Gesprächen Menschen – Jugendliche wie Erwachsene – davon berichten, dass sie des Lebens überdrüssig geworden sind.
Ein mutmachender Auftrag für Kirche auch in diesen Zeiten
Denn, und ich meine, dass es trotz all der Krisen der Kirche unserer Zeit eine besonders wertschätzende Aussage und ein mutmachender Auftrag für uns als Gemeinschaft der Glaubenden ist, den uns die Professorinnen mitgeben: Kirche kann gerade durch einen bestärkenden Glauben für Jugendliche ein Ort sein, an dem sie sich willkommen und wertgeschätzt wissen. Ein Ort, an dem sie ihre Ängste und Sorgen ansprechen und anvertrauen können.
Arbeiten wir daher daran mit, dass dies bleiben und noch mehr oder auch wieder entstehen kann: Kirche – ein Ort des Vertrauens gerade in Krisenzeiten des Lebens.Nehmen wir von den Aposteln und der jungen Gemeinde in den Anfängen daher aus der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte mit: Sie sprechen über das, was sie bewegt. Ihre Ängste und Sorgen teilen sie miteinander. Sie können sich gegenseitig ertragen und auch tragen – damit meine ich: sie bauen sich gegenseitig auf. Es ist ein Bild, das ich uns als Gemeinde hier in unserer Stadt besonders wünsche, wenn mir auch bewusst ist, dass wir von verschiedenen Orten zusammenkommen und auch in verschiedenen Altersgruppen sind. Ich bin überzeugt, dass genau das aber eine Chance sein kann.
Hören wir uns daher gut zu. Bauen wir uns gegenseitig in Gesprächen auf und machen wir uns nicht gegenseitig nieder. Lassen wir unsere Gemeinschaft zu einem Ort werden, an dem Vertrauen gelebt und gepflegt wird. Amen.