Das Gebetszeugnis einer alten Ordensschwester
„Ich werde für dich beten – jeden Tag. Ich bin deine Betschwester. Viel kann ich in meinem hohen Alter nicht mehr tun. Daher sehe ich besonders das Gebet als meinen Auftrag und meinen Dienst in dieser Phase des Lebens.“ Das hat mir eine hochbetagte Erlöserschwester aus dem Steinbachtal in Würzburg zu meiner Priesterweihe geschrieben. Sie stammt aus meiner Heimat und ich bin sehr dankbar für ihre Gebetspatenschaft, die mich mit ihr verbindet.
Veränderungen durch das Gebet
Ja, durch das Gebet verändert sich nicht nur etwas, sondern kann sich auch jemand verändern. Der Mensch, für den gebetet wird, findet Halt und Trost, aber auch seinen Weg – vielleicht sogar die Lebensberufung. Davon bin ich überzeugt und möchte daher heute zu euch, liebe Schwestern und Brüder, über das Gebet sprechen.
Das hohepriesterliche Gebet Jesu
Es scheint auf der Hand zu liegen, da wir eben im Evangelium das sogenannte hohepriesterliche Gebet Jesu gehört haben. Er spricht es am Ende seines öffentlichen Wirkens und nach seinen Abschiedsworten, von denen wir in der letzten Zeit im Johannesevangelium gehört haben. Dieses lange Gebet, von dem wir heute einen Teil gehört haben, zeigt die besondere Verbundenheit Jesu mit seinem himmlischen Vater. Es zeigt auf, dass er am Ende nicht nur menschlich für seine Umgebung da war, Menschen geheilt und aufgebaut hat. Vielmehr wurde durch ihn die übergroße Liebe in Worten konkret, wenn er die Welt seinem Vater anvertraut.
Er weiß darum, wie sehr er diese Verbindung – das Gebet – braucht und welche Kraft von ihm ausgeht. In diesem Gebet vertraut er dem Vater gleichsam seinen geistlichen Nachlass an. Denn er spricht davon, dass er möchte, dass alle Menschen den wahren Gott erkennen. Er weiß auch darum, dass sein irdisches Werk vollendet ist und dass er alles gegeben hat, dass Gott unter den Menschen bekannt werden konnte. Und er möchte in liebevoller Verantwortung nun die Welt dem Vater anvertrauen, dass er sich um sie auch weiterhin kümmert. Fortan, wenn seine Zeit auf Erden abgelaufen ist. Schon bald darauf folgt beim Evangelisten Johannes nämlich die Gefangennahme und der weitere Verlauf der Leidensgeschichte des Herrn.
Der geistliche Nachlass Jesu: im Gebet verweilen
Umso größer scheint die Bedeutung dieses hohepriesterlichen Gebetes zu sein, da es gleichsam das geistliche Testament Jesu ist. Die Menschen sollen im Gebet die Verbundenheit mit dem Vater spüren können. Das ist sein Zielgedanke.
Ich meine, dass dem auch so ist. Mag sein, dass sie nicht immer gespürt wird, oder dass auch nicht alle den Zugang dazu bereits gefunden haben. Doch es gibt Zeugnisse, bei denen ich gemerkt habe, dass dem so ist und ich nehme an, dass jeder Einzelne ganz eigene Erfahrungen gemacht hat.
Ganz praktisches Gebet
Ich erinnere mich gerne an Menschen meiner Heimatgemeinde, die mir durch ihr tiefes Zeugnis des Gebetes besonders in Erinnerung geblieben sind. Es gab da einige Frauen, die ich mit meiner Oma im Ort immer wieder aufgesucht habe, um mit ihnen zu sprechen und zu beten. Meist war es der Rosenkranz, den wir da gebetet haben. So war es auch bei der bei mir als „Schokoladenoma“ bekannten Frau, bei der es nach dem Gebet immer ein Stück weißer Schokolade als Stärkung gegeben hat.
Schon als Kind habe ich gemerkt, wie stärkend das gemeinschaftliche Gebet und auch das Gebet füreinander sein kann. Es ist einfach schön zu wissen, dass jemand an einen denkt, aber noch mehr, dass die persönlichen Anliegen anvertraut werden. So brannten bei uns daheim immer Kerzen, wenn Prüfungen anstanden oder wenn für jemanden besonders gebetet wurde. Gerne habe ich aber auch eine Zeit in unserer Pfarrkirche verbracht, neben der ich direkt aufgewachsen und gar mit ihr groß geworden bin.
Orte, an denen das Gebet spürbar wird
Ich bin überzeugt, dass es Orte gibt, bei denen man tatsächlich spüren kann, dass dies wahre Orte des Gebetes sind. Erlebt habe ich das schon in manchen Pfarrkirchen, vor allem aber in Wallfahrts- und Klosterkirchen. Öfters habe ich dort gespürt: „Das sind wahre Häuser des Gebetes. Hier wird gebetet.“ Dieses Gefühl hatte ich aber auch schon in Häusern, in denen ich gemerkt, dass im Haus dieser Familie wahrhaft gebetet wird.
Eine besondere Erfahrung im Gebet habe ich gemacht, als ich mit dem Christlichen Verein junger Menschen, dem CVJM aus Bamberg, im Rahmen einer Jugendfreizeit in der Toskana war. Dort hatten wir füreinander eine Gebetspatenschaft übernommen, sodass nach einer Ziehung der Namenszettel jeder für einen anderen gebetet hat. Aus dieser Fahrt sind auch ein Nachtreffen und wöchentliche Treffen mit Glaubensgesprächen entstanden. Es war einfach wunderbar zu wissen, dass wir nicht nur eine Gemeinschaft waren, sondern vielmehr immer mehr eine geistliche Gemeinschaft geworden sind.
Das Gebet füreinander
Daher schätze ich es sehr, wenn ich weiß, dass bei meinen jährlichen Exerzitien Schwestern oder Brüder für mich beten und mich in dieser Zeit begleiten. Dasselbe tue ich gerne für die jungen Menschen, die bei der Zukunftswerkstatt der Jesuiten in Frankfurt in geistliche Tage gehen. Mehrmals im Jahr werden mir dazu Namen zugesandt und dann bete ich in deren Anliegen. Und es ist interessant und auch ergreifend, dass wirklich ein besonderes Band entstehen kann, auch wenn ich die andere Person überhaupt nicht kenne. Durch das Gebet verändert sich wirklich etwas.
Nicht zu viel und keinesfalls zu wenig
Von Johannes Hartl, dem geistlichen Leiter des Gebetshauses Augsburg, stammt der Satz:
Gebet ist nich alles, aber ohne Gebet ist alles nichts.
Johannes Hartl, Gebetshaus Augsburg
Ich denke, dass an diesem Satz sehr viel Wahres dran ist. Nur Gebet funktioniert nicht, denn auch die Arbeiten müssen gemacht werden: Einkaufen, Putzen, Kochen, und so weiter – und das sogar in den großen Klöstern des dauerhaften Gebetes. Aber ohne das Gebet stürzt so vieles zusammen. Zeugnisse davon gibt es genug. Gemeinden, die das Gebet verlernt haben, zerfallen. Es gibt auch zahlreiche Klöster, die niedergegangen sind, weil das Gebet nicht mehr im Zentrum stand. Und auch aus dem eigenen Leben kenne ich und vielleicht ja auch du die Erfahrung: Dann, wenn das Gebet fehlt, dann fühlt sich das Leben leer an. Bete ich aber und bin im Gebet verbunden, dann kann sich so viel tun.
Der Schatz betender Menschen für die Gemeinden
Ich bin daher sehr dankbar, dass es trotz sinkender Zahlen Menschen gibt, die dem Gebet treu verbunden sind. In erster Linie stehen für mich dafür die Klöster, die geistlichen Gemeinschaften und Ordensgemeinschaften, die sich mehrmals am Tag versammeln, um zu beten. Darüber hinaus sind es aber auch die Priester und Diakone, die versprochen haben, für ihre Gemeinden zu beten. Es sind aber auch so viele Beterinnen und Beter unserer Gemeinden, die wahrlich ein Schatz für unsere Gemeinden sind, weil sie die Anliegen der Gemeinde ins Gebet bringen.
Ja, Jesus gibt uns heute im hohepriesterlichen Gebet ein Beispiel eines vom Glauben durchdrungenen Mannes. Er zeigt damit, dass er ganz und gar mit einem anderen verbunden ist. Aus diesem vertrauensvollen Gespräch miteinander, wie man das Gebet auch bezeichnen kann, erwachsen Hoffnung, Freude und neue Kraft für die Aufgaben.
Gebetsgemeinschaft sein und noch mehr werden
Suchen wir daher immer wieder die Orte des Gebetes auf, um uns zu stärken oder auch gestärkt zu werden. Beten wir füreinander, wie es Papst Franziskus immer wieder sagt: „Betet auch für mich.“ Und stärken wir unsere Gemeinschaft immer mehr und immer wieder durch die Verbundenheit im gemeinsamen Gebet, wie auch die Jünger zusammen mit den Frauen, mit Maria und den Brüdern im Obergemach verharren, um gemeinsam zu beten und zu einer Gebetsgemeinschaft zu werden.
Denn Gebet lebt von der Pflege – im persönlich-privaten Gebet und im Gebet in Gemeinschaft.
Ja, beten wir. Allein für uns, füreinander und miteinander. Amen.