„Weniger ist mehr!“
43 pastorale Räume gibt es im Bistum Würzburg seit deren Errichtung im Oktober 2021 durch Bischof Dr. Franz Jung. Zuvor waren die gut 600 Pfarreien und Kuratien des Bistums in 160 große Einzelpfarreien und unterschiedlich große Pfarreiengemeinschaften gegliedert. Eine Ausnahme davon besteht in derPfarrei Heilig Geist in der Stadt Schweinfurt. Sie ist im Jahr 2017 vom damaligen Bischof Friedhelm Hofmann auf Wunsch der Seelsorgekonferenz als Stadtpfarrei aus den bisherigen 9 Pfarreien gegründet worden. In den anderen Bistümern unseres Landes gibt es ähnliche Formate. Im Erzbistum Bamberg gibt es etwa die sogenannten Seelsorgeräume. In Bistümern wie Münster und Eichstätt ebenso wie im Erzbistum München-Freising setzt man wie in Würzburg auf die Pastoralen Räume, in denen große Flächen verwaltet werden. Noch ein wenig größer klingen die als „XXL-Pfarreien“ titulierten Einheiten im Erzbistum Freiburg. In Limburg haben jene den klangvollen Namen „Pfarreien neueren Typs“ erhalten.
Vewaltung bis zum Umfallen
Struktur. Niedergang der personellen und finanziellen Ressourcen. Wunsch nach neuen Leitungsmodellen. All das hat die Diözesen unseres Landes dazu veranlasst, die Fläche der Bistümer neu zu strukturieren und zu gliedern. Dies ist natürlich nicht ohne Widerstände und Probleme geschehen. Haupt- und Ehrenamtliche protestierten gemeinsam oder in unterschiedlicher Absicht. Nicht alle Pfarrer sind etwa damit einverstanden, dass sie wie eh und je als „Pfarrer“ gelistet werden, sondern auf Zusammenarbeit setzen sollen, wozu viele nicht ausgebildet worden sind. Nun soll die Arbeit im Team, nämlich im rechtlichen Begriff der Leitung „in solidum“ gefördert werden. Am Ende heißt das, dass es in den Einheiten einen „Moderator“ oder „Kurator“ genannten Pfarrer braucht. Dieser soll die anderen „Teampfarrer“ und das restliche Seelsorgepersonal, sowie die ehrenamtlichen Gremien leiten und begleiten. Manche haben bei dieser Form die berechtigte Angst, manche würden zu „Überpfarrern“ geraten. Am Ende würden diese im Verwaltungswust ersticken, während die „ganz normale“ Seelsorge zu kurz kommen könnte. So lautet die Befürchtung.
Schnell stehen Themen wie Überforderung und Überhöhung in Fragen der Macht und der Verantwortung im Raum. „Wer will das denn noch managen?“, fragen Gläubige ebenso wie Seelsorgepersonal und gar Priester und Pfarrer. Und natürlich gibt es auch die Frage: Warum können nicht andere – etwa Frauen – dasselbe ebenso tun.
Bleibt die Seelsorge auf der Strecke?
Die Frankfurter Allgemeine meinte zu diesem Prozess der künftigen Pfarrer vor gut 10 Jahren im Februar 2012: „Zu 15 Prozent Seelsorger, zu 85 Prozent Manager“. Was zunächst etwas schmunzeln lässt, zeigt bei genauerer Betrachtung den Ernst der Lage. Groß ist die Angst, dass bei immer größeren Einheiten das Zwischenmenschliche, nämlich das Gespräch miteinander, ja überhaupt die Seelsorge auf der Strecke bleibt. „Priester, die am Ende für eine zweistellige Anzahl an Gemeinden zuständig oder verantwortlich sind, müssten doch irgendwann ausbrennen oder ihr Amt aufgeben“, sind nicht Wenige der Überzeugung.
Personal schmilzt schneller dahin als manche Eisberge
Und die Tendenz für die kommenden Jahre bei allen Prognosen bis 2040 zeigt auf, dass weder Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferent*innen noch anderes Personal zunehmen werden – außer vielleicht an Körperfülle. Der Personalnotstand in allen sozialen Bereichen, ja bei allen Feldern, bei denen man mit anderen Menschen zu tun hat, schlägt deutlich zu. Missbrauchs- und Vertrauenskrise ebenso wie Glaubens- und Kirchenkrise sind da wahrlich keine Förderer, dass sich mehr junge Menschen für einen Dienst oder gar ein Amt in der Kirche interessieren und finden würden. Auch die Aufspaltung in unterschiedliche Lager der Kirche hindert eher an Mitgliederzuwachs und an zusätzlichem Personal. Insgesamt könnte das Personal also genauso wie die Eisberge am Nordpol bis zum Jahr 2040 dahingeschmolzen sein. Kirchenkritiker wird das freuen.
In einem Artikel von „Vatican News“ aus dem Jahr Oktober 2020 sagte der damlige Domkapitular für die Hauptabteilung Seelsorge, der heutige Administrator der Stadtpfarrei Schweinfurt, Christoph Warmuth, dazu:
Bis 2022 sind die „Pastoralen Räume“ aufgefordert, in der sogenannten Gestaltungsphase ein pastorales Konzept für ihren Bereich zu umschreiben und Formen der verbindlichen Zusammenarbeit zu etablieren. Ende 2022 wird dann bei einem weiteren Diözesanforum ein Zwischenfazit gezogen, die Implementierungsphase dauert dann bis Ende 2025.
https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2020-10/wuerzburg-bistum-pfarreien-reform-pastoral-raum-kirche-katholisc.html
Und nun?
Aus meinen bisherigen Ausführungen werden Sie bzw. wirst Du gemerkt haben, dass ich nicht der große Befürworter des aktuellen Prozesses bin. Mir ist klar, dass dies meinen Vorgesetzten bis in die höchste Ebene nicht gefallen wird. Schnell erhält man das Attribut „der Kritiker“. Doch das nehme ich gerne in Kauf, da ja die Kritik an Kirche in unserer Zeit ja allgemein „en vogue“ zu sein scheint. Auch die „hohen Herren“ müssen es daher wohl einmal aushalten, wenn man nicht mit allen ihrer Beschlüsse und geistigen Ergüsse einverstanden ist. Das mag verwogen klingen und wird wohl auch so verstanden werden. Gleichzeitig gebe ich zu, dass auch ich nicht wie Pinky und Brain aus der Fernsehserie die bessere Lösung hätte.
Ansätze zum Weiterdenken – Was haben die Apostel getan?
Was aber könnte uns in dieser verworrenen Lage weiterbringen? Und was haben die Apostel getan?
Meine These ist: Im Anfang gab es nur einen pastoralen Raum: nämlich die Welt!
Die wenigen Apostel sind jeweils in Zweiertandems ausgesandt worden, um die Frohe Botschaft in die ganze Welt hinauszutragen. Das klang doch schon damals nach einer völlig abstrusen Idee. Denn wer hätte denn damals ernsthaft gedacht, dass sich diese Botschaft tatsächlich nicht nur im Mittelmeerraum verbreiten würde, sondern in die ganze Welt gelangen würde? Sicher war es eine große Vision und ein Traum, doch aus menschlicher Perspektive eine Illusion und zugleich eine Überforderung.
Denn die kleine Randgruppe der Apostel, allesamt Exoten ihrer Zeit und Umgebung, ist mit nur wenig Mitstreiter tatsächlich losgezogen und hat sich von weiten Wegen, einem schlechten öffentlichen Nahverkehr und reichlich Widrigkeiten auf dem Weg nicht abbringen lassen. Im Gepäck hatten sie keine großen finanziellen und personellen Ressourcen. Sie hatten weder einen Managementkurs absolviert, noch wurden sie rhetorisch besonders geschult. Für ihr selbstloses Tun erhielten sie keinen festen Lohn, geschweige denn den Mindestlohn. Und auch ihre Wochenarbeitszeit mitsamt der zahlreichen Überstunden wurde nicht genau erfasst. Vielmehr mussten sie gefährliche Reisen auf sich nehmen. Und jederzeit galt es Verfolgung und Bedrohung ihrer nicht besonders toleranten Mitmenschen als Minderheit der damaligen Zeit zu erdulden.
„Nichts und niemand kann uns aufhalten!“
Sehen Sie / Sieh mir bitte meine Ironie nach, doch war es wirklich so. Und dennoch haben sie sich nicht aufhalten lassen, sondern sie sind hinausgezogen, um Menschen für Christus und die Kirche zu gewinnen. „Das kann uns keiner nehmen“, singt die Gruppe „Revolverheld“. Sie spricht davon, dass keiner ihren Erfolg verbauen konnte, weil sie ein gemeinsames Ziel vorangebracht hat.
Wir hingegen schauen heute mit unserem Blick gerne auf teil planlose Strukturen. „Wie viel Personal haben wir wann und wo zur Verfügung?“, planen wir akribisch – vor allem in Deutschland – und wissen am Ende doch auch keinen Rat. Die Personalplanung von 2030 und noch mehr von 2040 bereiten Verantwortlichen schlaflose Nächte, vor allem, wenn noch ungeplante Ausfälle dazukommen. Die Kategorisierung der Immobilien und die Abwicklung von Gemeinden scheint heute zu einem elften Gebot zu werden gemäß dem Satz „Du sollst dich von Kapazitäten lösen.“
Der Traum eines gloanen Kaplans
Liebe Freunde im Glauben: Ist es das wirklich, was unseren Glauben auszeichnet? Verwaltung bis zum Umfallen? Planungen – bis die Letzten wahrlich verplant sind?
Ich weiß ganz klar: Ich bin nur a gloaner Ka-plan. An mir liegt nicht ausschließlich, wie es weitergeht. Zum Glück!
Wovon aber ich träume, das möchte ich mitgeben: Ich träume von der Leichtigkeit des Anfangs. Denn ich bin überzeugt, dass uns genau das als Kirche gerade auch in unserem Bistum verloren gegangen oder zumindest abhanden gekommen ist. Das mag natürlich an der Verantwortung liegen, dass wir große und ausgeprägte Strukturen haben. Denn sie sind ja nicht nur Fluch für uns, sondern sind auch ein Segen. In ihnen kann sichergestellt werden, dass es Menschen gibt, die sich um die Anliegen kümmern. Wir haben Gebäude und Räume, in denen uns eine Zusammenkunft jederzeit leicht möglich ist. Somit ist alles nicht dem Zufall unterworfen. Auch spielt mit hinein, dass wir alles gut machen wollen. Und das ist ja zunächst einmal ein guter Anspruch.
Aber: haben wir uns nicht doch auch etwas verzettelt?
Doch: Sind nicht auch wir als Kirche heute wie die Versammelten damals vor Pfingsten ängstlich und hinter unseren Toren verschlossen? Haben wir wirklich die richtigen Prioritäten in unserer Kirche gewählt oder haben wir uns nicht doch verzettelt? Warten nicht auch wir immer noch oder immer wieder auf die Sendung des Heiligen Geistes, was wir an diesem Pfingstfest feiern? Dann, wenn die verängstlichten Jünger zusammen mit den anderen Versammelten Be-GEIST-erung erfahren, ja vom Heiligen Geist erfüllt werden, auf dass sie nicht anders können, als die Frohe Botschaft in alle Welt zu tragen und von ihr Zeugnis zu geben. Denn das scheint ja definitiv der Antrieb der Jünger gewesen zu sein, um in aller Welt und trotz der fehlenden Sprachkenntnisse Jesu Botschaft überall hin zu tragen.
Wunsch nach einem pfingstlichen Aufbruch
Was ich uns daher wünsche, ist ein neuer, wahrhaftiger pfingstlicher Aufbruch.
Ich wünsche uns, dass wir keine Angst haben, über unseren Glauben zu sprechen: in unseren Familien, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz und sogar in unseren Gemeinden und kirchlichen Gruppierungen.
Ich wünsche uns, dass uns bewusst ist, dass wir in Taufe und Firmung den Heiligen Geist empfangen haben, der uns Trost, Antrieb und Kraft ist. Gerade jenen, die ihn noch nicht empfangen haben, wünsche ich ihn besonders und lade ein, ihn zu empfangen!
Ich wünsche uns, dass wir die Kraft der Vergebung nutzen, wie sie uns Jesus im Evangelium der Sündenvergebung mitgibt und anvertraut!
Ich wünsche uns, dass wir die Gaben ausüben, von denen wir in der Zweiten Lesung motivierend erfahren haben! Denn wir sind in aller Unterschiedlichkeit aufeinander angewiesen und brauchen uns gegenseitig zum wahren Erfolg!
Und letztlich wünsche ich, dass wir es schaffen, EINE Botschaft zu vermitteln, auch wenn wir unterschiedliche Sprachen sprechen. Was ich damit meine? Dass wir die eine Botschaft, nämlich dass Gott in Jesus zu uns gekommen ist und so die ganze Welt positiv verändert hat, ja alle und alles zum Leben führen wird, in die Welt hinaustragen. Denn die Welt wartet auch heute noch auf die Herabkunft des Heiligen Geistes. Ich bin dankbar, dass ich diesen Tröster, diese Kraft und diesen Motivator im Glauben erkannt habe und empfangen durfte. Und ich wünsche noch vielen mehr, dass sie ihn in ihr Herz, ins Leben und in ihren Glauben lassen.
Komm, Heiliger Geist, komm! Wir warten auf dich! Amen.
Danke Herr Ziegler für diese wundervollen und klaren Worte. Jeder Einzelne ist gefragt seinen Glauben in die Welt zu tragen und mehr das wundervolle unsere Kirche zu zelebrieren anstatt ständig an Problemlösungen zu arbeiten. Ein gesegnetes Pfingstfest wünsche ich Ihnen.